Corby Welch & Nadja Stefanoff : Die tote Stadt – reviews

Korngold : Die tote Stadt – Staatstheater Mainz – 18 October 2025
Corby Welch schafft Gänsehaut. Korngolds Partitur stellt Wagner-Partien noch in den Schatten. Denn er fordert von den Sängerdarstellern in einem Atemzug die gesamte Bandbreite von lyrisch-zarten Passagen bis zu dramatisch-explosiven Ausbrüchen. Das gilt vor allem für die Besetzung der Hauptrollen. Corby Welch als Paul und Nadja Stefanoff als Marietta/Marie sind darin erfahren. Vor zwei Jahren meisterten sie diesen Part in der Düsseldorfer Inszenierung. Jetzt zum Premierenabend in Mainz gelang ihnen dies deutlich entspannt. Corby Welch ließ einmal mehr aufhorchen, auch wenn er am Premierenabend mit seiner Stimme einige Mühe hatte, sie immer wieder so zu führen, wie er es wollte. Sein „Glück, das mir verblieb“ gelang ihm sehnsuchtsvoll eindringlich, wie es selten zu hören ist. Selbst in den für einen Tenor mörderisch hoch exponierten Partien bewies er seine Sängerschauspielkunst. Souverän meisterte er die Übergänge von lyrischer Zartheit zu dramatischer Intensität und gestaltete diese mit technischer Brillanz. Aufgrund seiner differenzierten stimmlichen Charakterzeichnung verkörperte er einen labilen Charakter, der sich seiner psychischen Zerrissenheit nur mit Gewaltausbrüchen zu erwehren weiß…Nadja Stefanoff verfügt über eine kraftvolle Sopranstimme, die sich vor allem im hochdramatischen Bereich durch Kraft und Brillanz auszeichnet. Die Doppelrolle der Marietta/Marie verlangt von Grenzgänge wie Feinfühligkeit, Bühnenpräsenz und vokale Brillanz. Nadja Stefanoff überzeugte als Marietta, die Sinnliche, die Lebensbejahende, die Kämpferin. Klassik.com
Corby Welch und Nadja Stefanoff führen Korngolds schweifende Traumwelt mit vokaler brillanter Souveränität zum Zentrum, getragen von einer präzisen, düster fokussierten Personenregie. Corby Welch (Paul) verbindet heldentenorale Strahlkraft mit einer bemerkenswerten Flexibilität in der Höhe und, für diese Partie entscheidend, einer kontrollierten, jederzeit tragfähigen Piano Kultur. Die exponierten Passagen setzt er ohne forcierte Schärfen, mit elastischer Stütze und sprachlicher Klarheit. In der Mittellage bewahrt er Kern und Farbe, in der Höhe öffnet sich die Stimme mühelos, die fein ausgehörten Leisepassagen gelingen mit einer Souveränität, die in dieser Rolle selten zu hören ist. Welch’ Paul ist nicht der pathetische Obsessionstäter, sondern ein verletzlicher, hochpräsenter Träumer, dessen Zerrissenheit und Scheitern sich musikalisch phrasiert statt bloß deklamiert. Das Publikum reagierte mit frenetischem Applaus, vollkommen nachvollziehbar. Nadja Stefanoff (Marietta/Marie) steht Welch in nichts nach. Ihr Sopran verbindet Leuchtkraft mit geschmeidiger Linienführung, die Register sind vorbildlich verbunden, die Höhe frei, die Tessitura sitzt. Besonders überzeugt ihre Fähigkeit, lange Gesangsbögen mit innere Spannung zu tragen, ohne die Linie zu überdehnen. In der Doppelrolle stattet sie Marietta mit verführerischer Unmittelbarkeit aus, während die Erinnerung an Marie wie in feinstem Sepia mitklingt. Zusammen bilden Welch und Stefanoff das unangefochtene Zentrum des Abends. Ein perfektes Duett an Musikalität, Textverständnis und Bühnennähe, das diese Produktion maßgeblich prägt – die gefeierten Stars des Abends. Opernreport
Nadja Stefanoff beglaubigt mit ihrem sicheren und klangschönen Sopran die vielen Facetten, die sie in die Gestaltung ihrer Rolle einbringt. Und Corby Welch liefert ein packendes Porträt des verhängnisvoll trauernden Witwers Paul: mit einem kraftvollen Tenor, der selbst am Ende der strapaziösen Partie nicht angestrengt wirkt und der auch die lyrischen Passagen spannungsvoll ausgestaltet. Main Spitze
Die Momente, in denen das Orchester sich unter Corby Welchs fein ins Falsett gleitender Tenorstimme zurücknimmt, sind von ergreifender Zartheit. »… »Dass „Die tote Stadt“ so selten gespielt wird, könnte an der mörderisch schweren Titelpartie liegen. Corby Welch meistert sie mit klarem, fokussiertem Tenor, bewundernswerter Kondition und berührender Intensität – ein Sänger, der seine Reserven klug einteilt. Nadja Stefanoff stemmt als Marie/Marietta die Doppelrolle mit beachtlicher Kraft, auch wenn die Höhe mitunter Schärfe zeigt. Im Schlussakt bündeln beide ihre Energien und ebnen damit zum erschütternden Finale. Rheinzeitung
An erster Stelle muss die männliche Hauptfigur, der in Trauer und Melancholie gefangene Paul, genannt werden, den Corby Welch mit einem strahlenden, ja gleißenden Tenor singt. Mit mächtiger Durchschlags- und Durchhaltekraft, bei der es unnötig war, um die Kondition in der gut zwei Stunden währenden Spieldauer zu fürchten. Bis zuletzt war das Volumen von gleicher Dichte bei bester Intonation. Die Personenführung hielt ihn in einer starren Fasson. Im Gegensatz zur Marietta, die Nadja Stefanoff gab. Ihr lyrischer Ansatz ging mit gleitender, feiner Eleganz einher. Eine Doppelgängerin der verstorbenen Marie mit nicht zu viel jokosen Posen. Die Zerbinetta-Kopie, die Korngold hier gibt, trat eher in ihrer tänzerischen Begleittruppe ins Bild, wie überhaupt Korngolds Thema von Trauer und Melancholie, Tod und Leben seinen Vorgänger in der „Ariadne auf Naxos“ hat. FR
Ohnehin sind Nadja Stefanoff und Corby Welch ein höchst durchsetzungsfähiges Paar auf Augenhöhe, sie als Marietta mit Nachdruck und ohne jede Schärfe, er, ein erfahrener Wagner-Sänger, als Paul mit heldischem Kern, mühelos bis ans Falsett reichenden Höhen und exakter Artikulation. FAZ
Ein Pluspunkt der Mainzer Inszenierung ist zudem, dass die Hauptbesetzungen bereits von früheren Inszenierungen mit ihren Partien vertraut sind. Nadja Stefanoff gab die Marietta bereits in Düsseldorf und Helsinki, Corby Welch den Paul in Düsseldorf. Bei der Mainzer Inszenierung hat Stefanoff zusätzlich die Partie von Pauls verstorbener Frau Marie, die ihm immer wieder in seinen (Alb-) Träumen erscheint, übernommen. Beide Figuren gestaltet die Sopranistin in ihren lieblich bis brutalen Facetten (mitsamt frivolen Posen) äußerst intensiv und besticht wie stets mit ihrer aufblühenden Stimme. Der US-amerikanische Tenor Corby Welch ist erstmals am Staatstheater Mainz zu erleben, allein für ihn lohnt sich ein Besuch. Die umfangreiche und zwischen ekstatischen Ausbrüchen und tiefer Innerlichkeit liegende Partie gestaltet er äußerst leidenschaftlich. Kulturfreak
Und dann die Sänger. Corby Welch ist ein Paul von seltener Glaubwürdigkeit und hinreißender stimmlicher Bewältigung. Diese Partie ist ein Marathon, ein vokaler Drahtseilakt zwischen heldentenoraler Wucht und lyrischer Selbstentblößung. Welch schafft beides auf Weltklasse-Niveau: Er besitzt das Metall, um gegen Korngolds Orchester anzusingen, und zugleich die Delikatesse, um im Pianissimo ganze Welten anzudeuten. In den leisen Momenten, wenn die Stimme zu schweben scheint, zeigt sich sein eigentliches Format. Welch’ Paul ist kein pathetischer Wahnsinniger, sondern ein Suchender, ein Mensch, der in seiner Trauer stecken geblieben ist, als wäre die Zeit um ihn herum stehen geblieben. Sein Timbre hat Wärme, das Vibrato nie übertrieben, die Textverständlichkeit bemerkenswert. Der Klang seiner Tenorstimme ist sehr variationsreich und verfügt zudem über einen brennenden Schmerzenston, der in den vielen leisen Momenten tief berührt – ein Ton, der einem unter die Haut geht. Welch gelang etwas ganz Seltenes: zu keinem Zeitpunkt klang er gefährdet oder gar forciert. Stimmlich und darstellerisch wurde er ganz eins mit dieser faszinierenden Rolle. Frenetischer Jubel für diese Ausnahmeleistung, die in dieser Form international konkurrenzlos sein dürfte. Nadja Stefanoff als Marietta (und Marie) steht ihm in nichts nach. Sie hat diesen Part verinnerlicht, als wäre er ein Teil von ihr. Ihr Sopran ist von schimmernder Klarheit, mühelos in der Höhe, kraftvoll, ohne Schärfe. Wenn sie singt, klingt alles selbstverständlich, leicht – und das bei einer Rolle, die technisch und psychologisch zu den komplexesten des Repertoires gehört. Stefanoff gestaltet die Doppelrolle differenziert: Ihre Marietta ist sinnlich, lebenshungrig, selbstbestimmt, manchmal sogar derb, ein Mensch, der das Leben mit beiden Händen packt; ihre Marie dagegen ist Erinnerung, still, geisterhaft, ein inneres Echo, das nur in Pauls Kopf existiert. Zwischen beiden Figuren wechselt sie mit minimalen stimmlichen Nuancen – ein Kunststück, das man kaum wahrnimmt, so organisch gelingt es, so natürlich, als wäre es keine Kunst, sondern einfach Menschsein. Zwischen Welch und Stefanoff herrscht eine spürbare Spannung, ein magnetisches Gegeneinander, das den ganzen Abend trägt. In den großen Duetten – etwa im berühmten „Glück, das mir verblieb“ – entsteht ein Moment von echter Intimität, in dem Musik, Szene und Emotion eine seltene Einheit bilden. Venzago trägt die Beiden förmlich auf Händen, die Celesta glitzert wie ein ferner Stern, die Streicher atmen mit, als wären sie selbst verliebt. Es ist, als hielte die Zeit für einen Augenblick den Atem an – ein Moment, in dem man vergisst, dass man im Theater sitzt. Onlinemerker